opus magnum - "Spezifizität als grammatische Kategorie zwischen Intentionalität und Indexikalität"

im Rahmen der Initiative Pro Geisteswissenschaft der Fritz Thyssen Stiftung und der VolkswagenStiftung

Okt 2008- Sept 2010

Pressemitteilung

allgemeinverständliche Beschreibung


Zusammenfassung

Die grammatische Kategorie "Spezifizität" wurde Ende der 60er Jahre für den Kontrast der beiden Lesarten des Satzes Paul möchte eine Norwegerin heiraten eingeführt. Die indefinite Nominalphrase eine Norwegerin referiert entweder spezifisch auf eine bestimmte Norwegerin oder nicht-spezifisch auf eine beliebige Norwegerin. Die spezifische Lesart wird oft damit erklärt, dass der Sprecher einen Referenten kennt oder identifizieren kann, dem Hörer die Identität jedoch nicht bekannt ist. Damit wird Spezifizität im Sprecherwissen verankert. Diese Abhängigkeit von der Sprecher-Intentionalität wird in der Sprachphilosophie an dem Kontrast von referenziellen vs. attributiven Lesarten von definiten Nominalphrasen wie der Mörder von Schmitt untersucht. Die Ausweitung der Untersuchungen auf indefinite Nominalphrasen hat in den folgenden Jahren zu ganz neuen Forschungsfragen, Theorieentwürfen und linguistischen Einsichten geführt: (i) Es wurde eine neue linguistische Kategorie eingeführt; (ii) es konnte ein wesentlich besseres Verständnis für bereits bekannte grammatische Kontraste und ganz neue linguistische Daten gewonnen werden; (iii) Modellierungsversuche für diese Kategorie haben zu neuen Forschungsfragen geführt.

Jedoch konnte anders als bei der seit der Antike diskutierten Kategorie "Definitheit" bisher weder eine eindeutige Bestimmung der Kategorie selbst noch eine Eingrenzung des Phänomenbereichs oder eine einheitliche Theorie entwickelt werden. Das vorliegende Projekt wird daher (i) die Kategorie Spezifizität als semantisch-pragmatische Kategorie vergleichbar mit Definitheit beschreiben und in eine allgemeine Klassifikation der Referenzeigenschaften von Nominalphrasen einordnen; (ii) ein Korpus von einschlägigen Daten aufgrund von linguistischen Tests kontrastiv in unterschiedlichen Sprachen zusammenstellen, um so sprachübergreifende Einsichten zu gewinnen; (iii) aktuelle Theorien zu Spezifizität basierend auf diesen Daten kritisch bewerten und (iv) eine neue und umfassende Theorie zur Spezifizität entwickeln, die Spezifizität in ein allgemeines Modell der Kommunikation einbettet. Die zentrale Annahme dabei ist, dass auch spezifisch indefinite Nominalphrasen als referierende Ausdrücke zunächst immer durch die Intention eines Agenten motiviert sein müssen. Dieser intentionale Charakter wird sprachlich als Indexikalität kodiert, ähnlich wie bei deiktischen Ausdrücken (ich, du, hier) oder Demonstrativen (dieses Buch). Spezifische Ausdrücke sind jedoch variabler in der Abhängigkeit von zusätzlicher Information: Sie können von dem Sprecher, dem Äusserungskontext, dem Diskurs oder aber einem anderen referierenden Ausdruck abhängig sein. Diese Theorie ermöglicht nicht nur eine umfassende Erklärung für Spezifizität, sondern auch eine Eingliederung dieser semantisch-pragmatischen Kategorie in die Architektur von Referenzeigenschaften zusammen mit Definitheit und Generizität. Damit wird auch ein Beitrag zu der allgemeinen Debatte über Referenz und Kommunikation geleistet, so dass das Projekt an der Schnittstelle von Grammatik, Semantik, Pragmatik, Sprachphilosophie und einer Theorie der Kommunikation liegt.